Was wir mit TANNBACH wollten

Der Mehrteiler TANNBACH erzählt die Geschichte der Deutschen Teilung am Beispiel eines kleinen Dorfes an der bayerisch-thüringischen Grenze. Das geteilte Dorf hat es wirklich gegeben - jeder kann noch heute nach Mödlareuth fahren und sich für kurze Zeit zurückversetzen in die Zeit, als die Mauer noch stand und mancher dessen Überwindung mit dem Leben bezahlte.

Unser TANNBACH ist ein fiktiver Ort, in dem das Leben so ähnlich abgelaufen sein könnte wie in Mödlareuth. Unsere Helden, Georg und Anna von Striesow, Friedrich und Liesbeth Erler, Franz Schober und Hilde Vöckler bringen die Absurdität des geteilten Deutschland auf den Punkt. Sie alle tragen sowohl Generations- als auch Ost-West-Konflikte mit einander aus. Jede von ihnen agiert aus ihrem zeitlich und geografisch begrenzten Blickfeld. Die Vogelperspektive bleibt dem Zuschauer vorbehalten. 

Wir spannen mit TANNBACH einen großen historischen Bogen mit einer Vielzahl von Themen und Geschichten. Das Große im Kleinen erzählen, das Deutschland der zweiten Hälfte des „kurzen 20. Jahrhunderts“ in einem Mikrokosmos darstellen, das war das Reizvolle und Ungewöhnliche an der Idee.    

Der Blick auf die Mauer von hüben und drüben hat auch mit der Biografie von uns Autoren zu tun. Die eine ist in Rostock geboren, lebte 20 Jahre im Ostteil Berlins, vor, während und nach der Wende. Der andere stammt aus Österreich, lebte 25 Jahren in München und kennt die Grenze zwischen Franken und Thüringen gut. Unsere Sozialisation als „Ossi“ und „Wessi“ können - und wollen - wir beide immer noch nicht verleugnen.  

Die meisten Mauergeschichten spielen in Berlin - aus der Perspektive des Ostens. Die Mauer als das Feigenblatt des Ostens, dort tut es weh, dort sind die Menschen verletzlich, die, dessen Biografie diese Grenze prägte. Aber wie lebten die Menschen an der 1400 km langen innerdeutschen Grenze, die auf der einen Seite Zonenrandgebiet genannt wurde und auf der andern Seite 5 km breites Sperrgebiet war? 

In Tannbach kennt jeder jeden, Tannbach ist eine große Familie - durch die der Riss der deutschen Geschichte geht.                 

Unser Film beginnt in den letzten Kriegstagen. Ein letztes Aufgebot stemmt sich der Einnahme des Dorfes durch die Amerikaner entgegen - und wird überrollt. Manche tragen schwer an der Niederlage - aber die meisten sind froh, dass der Krieg endlich vorbei ist. Der langsame Rückweg in die Normalität beginnt.

 

In Teil 2 und 3 erzählen wir Kapitel aus den Anfängen der beiden deutschen Staaten, die so im deutschen Fernsehen noch nicht erzählt wurden: die Bodenreform in der Sowjetischen Besatzungszone, als das Land der Gutsbesitzer enteignet wurde und unter den Kleinbauern, Flüchtlingen, Ausgebombten verteilt wurde. Bereits im Herbst 1945 wurde damit der Grundstein des Sozialismus gelegt - die Abschaffung des Privateigentums nach dem Vorbild der Sowjetunion. Wir erzählen die Farce der Entnazifizierung im Westen und die baldige Wiederaufrüstung unter Konrad Adenauer - die die DDR zum „Grund“ nahm, erst einen Abwehrzaum, dann eine Mauer zu errichten - zum Schutz der eigenen Bevölkerung.

Zum „Schutz der Bevölkerung“ fand auch die berüchtigte „Aktion Ungeziefer“ statt: die Beräumung des Grenzstreifens von politisch missliebigen Personen sowie die Sprengung von Häusern, die auf dem Grenzstreifen lagen. Die Bewohner wurden ins Landesinnere umgesiedet, Entschädigung gab es keine.

Die Recherchen zu TANNBACH waren aufwändig und erhellend. Bei den Themen Bodenreform und Aktion Ungeziefer konnten wir uns auf wenig „gesicherte“ Geschichtsschreibung und Interpretation zurückziehen. Enteignung und Neuverteilung werfen viele Fragen auf, die in Zeiten unseres enthemmten Kapitalismus durchaus wert sind, wieder neu gestellt zu werden.  

 

Als wir das Konzept zu TANNBACH im März 2011 unserer Produzentin vorstellten, steckten bereits zwei Jahre Arbeit darin: Recherche, Figurenbeschreibungen, Tabellen, Mindmaps, Fotos, Lagepläne, Handlungsstränge und ein fast fertiges Drehbuch zu Folge 1. DER MORGEN NACH DEM KRIEG.