Immer schon lag MÖDLAREUTH, ein Dorf von vielleicht hundert Einwohnern an der Grenze zwischen Thüringen und Bayern, ein paar Bauernhöfe, ein paar Wohnhäuser, ein Gutshof, ein Wirtshaus und eine Kirche um einen Bach. Die von Unkraut überwucherten Grenzsteine am Bachufer waren Symbole einer fernen Macht, um die sich keiner groß kümmerte. Man heiratete und siedelte wie es einem gefiel.
Im April 1945 wird das Dorf "kampflos" von den Amerikanern "erobert". Die Bewohner sind froh, dass der Krieg vorbei ist und man glaubt, es in der "amerikanischen Zone" gut getroffen zu haben. Endlich kann man daran gehen, die Höfe wieder aufzubauen und die Felder zu bestellen.
Aber die Alliierten nehmen die Grenzsteine genauer als die Dorfbewohner - wenige Wochen nach Kriegsende müssen die Amerikaner das Dorf an die Russen abtreten. Am Dorfausgang werden Schlagbäume errichtet, der alte Gutshof wird zur Kommandantur an der bald ein Stalinbild und ein Sowjetstern prangen. Anders als die Amerikaner führen die Russen ein rigides Regime, plündern, verhaften, siedeln um, erziehen und bespitzeln.
Doch die Amerikaner intervenieren noch einmal. Laut den Londoner Protokollen sind die Demarkationslinien entlang der ehemaligen Landesgrenzen zu ziehen - und die verliefen in der Mitte des kleinen Baches, der durchs Dorf fließt. Im Juli 1946 müssen die Russen die westliche Seite Mödlareuths räumen und sich auf die östliche zurückziehen.
Mit Gründung der beiden deutschen Staaten 1949 gehört der Ostteil Mödlareuths zum Territorium der DDR, der Westteil zu dem der Bundesrepublik. Damit sind beide Teile des Dorfes nicht nur Bestandteil zweier verschiedener Staaten, sondern auch unterschiedlicher politischer, militärischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Systeme.
Immer schon lag MÖDLAREUTH, ein Dorf von vielleicht hundert Einwohnern an der Grenze zwischen Thüringen und Bayern, ein paar Bauernhöfe, ein paar Wohnhäuser, ein Gutshof, ein Wirtshaus und eine Kirche um einen Bach. Die von Unkraut überwucherten Grenzsteine am Bachufer waren Symbole einer fernen Macht, um die sich keiner groß kümmerte. Man heiratete und siedelte wie es einem gefiel.
Im April 1945 wird das Dorf "kampflos" von den Amerikanern "erobert". Die Bewohner sind froh, dass der Krieg vorbei ist und man glaubt, es in der "amerikanischen Zone" gut getroffen zu haben. Endlich kann man daran gehen, die Höfe wieder aufzubauen und die Felder zu bestellen.
Aber die Alliierten nehmen die Grenzsteine genauer als die Dorfbewohner - wenige Wochen nach Kriegsende müssen die Amerikaner das Dorf an die Russen abtreten. Am Dorfausgang werden Schlagbäume errichtet, der alte Gutshof wird zur Kommandantur an der bald ein Stalinbild und ein Sowjetstern prangen. Anders als die Amerikaner führen die Russen ein rigides Regime, plündern, verhaften, siedeln um, erziehen und bespitzeln.
Doch die Amerikaner intervenieren noch einmal. Laut den Londoner Protokollen sind die Demarkationslinien entlang der ehemaligen Landesgrenzen zu ziehen - und die verliefen in der Mitte des kleinen Baches, der durchs Dorf fließt. Im Juli 1946 müssen die Russen die westliche Seite Mödlareuths räumen und sich auf die östliche zurückziehen.
Mit Gründung der beiden deutschen Staaten 1949 gehört der Ostteil Mödlareuths zum Territorium der DDR, der Westteil zu dem der Bundesrepublik. Damit sind beide Teile des Dorfes nicht nur Bestandteil zweier verschiedener Staaten, sondern auch unterschiedlicher politischer, militärischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Systeme.
Trennte vorerst nur der Bach die beiden Dorfhälften, wird bald ein mannshoher Bretterzaun, dann ein Stacheldrahtzaun und schließlich eine 3,40 m hohe Mauer mitten durch das Dorf gebaut. Sie reißt über Jahrhunderte gewachsene Strukturen und Familienverbände schmerzhaft auseinander. Dutzende andere Dörfer in der Nähe der Grenze werden dem Erdboden gleich gemacht.
Mödlareuth erlangt im Westen eine gewisse Popularität. Die Amerikaner nennen das Kuriosum "Little Berlin". 1983 besucht sogar Vizepräsident George Bush (sen.) Mödlareuth, um dem geteilten Dorf zuzurufen: "Ick bin Mödlareuther". Aber sein Bekenntnis stößt im Osten auf taube Ohren. Die Bewohner Ostmödlareuths haben an diesem Tag Ausgangssperre. Über die Mauer hinweg ertönen aus riesigen Lautsprechern nur lautstark sozialistische Aufbaulieder.
Was wie eine Satire erscheint, hat sich tatsächlich so zugetragen. Die Schicksale, Grausamkeiten und Anekdoten welche die Menschen des Dorfes zu erzählen wissen, sind an Absurdität nicht zu überbieten. Zugleich aber sind sie berührend und tieftragisch. Einen Steinwurf von einander entfernt entwickeln sich zwei völlig unterschiedliche Gesellschaften. Während der Westen mit Care-Paketen und dem Marshallplan aufgepäppelt wird, werden im Osten Eisenbahnschienen abmontiert und als „Reparationszahlungen“ in den Ural verschickt. Während im Westen die Höfe im Zonenrandgebiet staatliche Unterstützung bekommen wird das Grenzland im Osten Sperrgebiet, in das man nur mit Passierschein ein- und ausreisen darf. Unliebsame Bewohner werden kurzerhand zwangsumgesiedelt.
Die Ostmödlareuter können über die Mauer hinweg das Wirtschaftswunder in Westmödlareuth „miterleben“, während bei ihnen Mangelwirtschaft den Alltag beherrscht. Im Wirtshaus in Westmödlareuth diskutieren die Bürger die Auswirkungen von Überproduktion, Landflucht und Ökobewegung, während man in der Kneipe auf der anderen Seite des Baches über Zwangskollektivierung und die Allgegenwart der Staatssicherheit den Mund zu halten lernt.
Trotz der Trennung der beiden Dorfhälften bleiben die Bewohner von West und Ost im Guten wie im Schlechten mit einander verbunden. Was die Mauer durchtrennt lebt in den Köpfen und den Herzen der Menschen weiter. Die Sehnsucht der Familien, der Freunde, der Liebenden nach einander ist stärker.
Als 1989 auch in „Little Berlin“ die Mauer fällt, liegen sich die Menschen nach Jahrzehnten der Trennung weinend in den Armen.
Heute ist Mödlareuth wieder ein Dorf - mit zwei Bürgermeistern, einem thüringischen und einem bayerischen, gelebt, gefeiert, geplant wird wieder gemeinsam.